Buchmarketing mit Tanja Rörsch. Ein Interview über Individualität, Kreativität und Originalität
Tanja Rörsch ist ein Allround-Talent. Mit ihrer Agentur Mainwunder, die sie 2014 gegründet hat, hat sie sich auf das Buchmarketing und PR in der Buchbranche spezialisiert. Sie bloggt mit Leidenschaft, coacht, berät, ist kreativ. Sie beschreitet neue Wege im Umgang mit Menschen, um ihnen zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen. Dabei arbeitet sie auch gerne mit Buchbloggerinnen zusammen.
Im Interview erzählt sie über ihre Arbeit, warum Rezensionen und Sichtbarkeit wichtig sind, was ihre Agentur von anderen unterscheidet und wie sie gemeinsam mit Bloggerinnen die Online-Buchwelt rockt.
Liebe Tanja, was ist das Besondere an der Buchbranche bzw. am Buchmarketing?
Die Produkte, die einerseits Produkte sind, die verkauft werden wollen, andererseits aber auch Herzensprojekte sind, in denen viel Schweiß, Hoffnung und Erwartungen stecken. Bücher sind immer mit Emotionen verbunden, wer wird schon mit Emotionen konfrontiert, wenn er einen Joghurt oder ein Medikament vermarktet. Dann sind die Menschen besonders, jeder anders, jeder mit seiner Geschichte, seinem Stil, seinen Stärken. Es ist als würde man jedes Mal ein neues Unternehmen kennenlernen, nur viel menschlicher und persönlicher.
Man erfährt Lebensgeschichten, Ängste, aber auch Mut und Kraft – das macht die Arbeit ganz besonders.
An der Buchbranche faszinieren mich die Menschen, die in ihr arbeiten. Junge Menschen mit vielen tollen Ideen, die alle auf eins abzielen: Bücher Menschen zugänglicher zu machen. Die Dynamik und Bewegung, in der sie sich entwickelt, unterscheidet unsere Branche ganz erheblich von anderen. Und wir mittendrin, die ein Teil dieser Entwicklung sind. Es ist großartig.
Wie unterscheidet sich Mainwunder von anderen Agenturen?
Als ich die Agentur gegründet habe, gab es im Bereich Buchmarketing so gut wie nichts. Alle – vor allem PR-Kollegen – hielten mich für verrückt. Ich solle doch lukrativere Branchen betreuen, z.B. Pharma oder Food & Beverages, in denen ich zuvor gearbeitet habe. Aber das wollte ich nicht. Ich wollte eine Agentur aufbauen, die es noch nicht gibt. Etwas wagen, was sonst keiner wagt. Und so arbeite ich auch: Ideen haben, die sonst keiner hat, Aktionen entwickeln, an die sich andere eher nicht herantrauen.
Und weggehen von diesem klassischen PR-Agentur-Gehabe, in denen Steifheit und Hierarchien dominieren.
In denen Entscheidungen und Umsetzung ewig dauert. Der Buchmarkt entwickelt sich schnell, die Chance für ein Buch, groß zu werden, ist zeitlich sehr begrenzt. Autoren haben die Zeit nicht, dass ich monatelang erstmal Konzepte erarbeite, bevor ich loslege. Und am Ende hat der Autor ein Konzept, aber nix ist passiert.
Was mir auch wichtig ist und wo ich auch einen deutlichen Unterschied zu anderen PR-Agenturen sehe: Ich habe neulich einen Blogartikel über das Thema Kundenservice geschrieben. Gerade für Künstler, die Autoren ja sind, ist Ansprechbarkeit und eine persönliche, enge Betreuung sehr sehr wichtig. Wenn ich wie bei großen Agenturen immer nur mit dem Junior spreche, der es dann nicht weiß, dann abklären muss, dann geht’s womöglich noch über verschiedene Standorte, bis mal einer da ist, der Entscheidungsbefugnis hat… wirklich erfolgreiche Autoren würden ausflippen, wenn das alles so lang dauert. Anrufen, sich besprechen, Entscheidung treffen – nur so kann das für diesen Markt – und für mich – funktionieren.
Nimmst du jeden Kunden an, falls es die zeitlichen Ressourcen zulassen, oder sagst du auch mal knallhart: Das bringt nichts?
Nein auf keinen Fall, ich nehme nicht jeden Kunden an! Ich selektiere sehr. Muss ich aber auch, meine Kapazitäten sind auch begrenzt. Ich lehne Autoren ab, z.B. wenn die Qualität von Cover oder Inhalt nicht stimmt oder ich keine Vermarktungschancen in einem Buch sehe. Ich schaue dabei mehr auf das Äußere, auf das Gesamtpaket. Ist das gut gemacht, kann ich damit rausgehen, hat es Potential. Kann ich das meinen Bloggern anbieten, kann ich Leser damit begeistern? Es gab schon Autoren, denen habe ich – wenn die Idee des Buches an sich gut war – gesagt: Alles neu, vom Cover bis zum Titel und dann arbeite ich mit Dir. Ansonsten musst Du Dir jemand anderen suchen. Und sie haben´s gemacht und keiner bereut.
Nach welchen Kriterien wählst du die Kunden aus?
- Die Qualität muss stimmen: Gutes Cover, guter Titel, gutes Thema, gute Story
- Das Buch muss „vermarktbar“ sein: D.h. ich habe meist sofort Ideen, wie ich das Buch an den Leser kriegen kann. Wenn mir da partout nichts einfällt, passt es nicht.
- Bereitschaft zur Zusammenarbeit: Wenn jemand im Prinzip keine Lust auf Marketing hat oder wir absolut menschlich nicht harmonieren, dann kann es nicht funktionieren
Was macht gutes Buchmarketing für dich aus?
Individualität, Kreativität, Originalität
Du bietest Rundum-Sorglos-Pakete an. Gibt es bei dir auch Pakete für den kleinen Geldbeutel? Ich könnte mir vorstellen, dass sich gerade Selfpublisher mit wenig Geld von den Preisen abschrecken lassen.
Die Rundum-Sorglos-Pakete sind für Autoren, die ihr allererstes Buch rausbringen, keinen Lektor, keinen Buchsetzer und nichts haben. Die kommen zu mir und sie bekommen bei mir alles. Meine Hauptarbeit basiert nicht auf Paketen, das ließe sich gar nicht realisieren. Pakete bedeuten immer, dass man das, was man anbietet, allen anbieten muss. Das geht für Leute, die nur Blogtouren anbieten. Oder nur Lektorat. Aber nicht für Buchmarketing. Das ist so individuell, dass ich ganz unterschiedlich schauen muss, wie ich ein Buch positioniere, platziere und vermarkte.
Und das stelle ich dann mit Maßnahmen so zusammen, dass es zum Budget des Autors passt. Generell muss man aber natürlich sagen, dass Marketing immer Geld kostet. Von kostenlosen Rezensionsexemplaren, Werbeartikeln, Werbeanzeigen, Promo-Aktionen, Plakatwerbung usw. – aber was ist schon umsonst? Der Erfolg kommt nicht von ungefähr.
Arbeitest du auch mit Bloggerinnen?
Und wie! Mit BloggerInnen arbeite ich super gerne. Ich liebe ihre Kreativität, ihre Liebe zu Büchern, ihre Freude, wenn eine Aktion Spaß macht.
Wie sieht diese Zusammenarbeit aus? Wie wählst du die geeigneten Bloggerinnen aus?
Ich arbeite auf verschiedenen Ebenen mit ihnen zusammen. Homebase ist mein eigenes Bloggerteam, das stetig wächst und in das ich immer alle Aktionen, Bücher, Goodie-Pakete rein gebe. Hier diskutieren wir aber auch, was ihnen wichtig ist, was sie gerne mögen usw. Dank des Teams sind wir doch persönlich eng verbunden. Wir können sehr vertrauensvoll miteinander sprechen, Autoren haben zum Team keinen Zutritt und wenn z.B. ein Blogger länger braucht oder ihm das Buch doch nicht gefällt, ist das kein Beinbruch. Lesen muss Spaß machen – ich bin lediglich die Brücke zwischen Autor und Blogger.
Neben meinem Bloggerteam arbeite ich eng mit Blogger-Plattformen, die für mich die Bücher bewerben oder suche gezielt Blogger für spezielle Themen.
Die Auswahl erfolgt, indem ich mir ihren Blog anschaue, ist die Schreibe gut, sind die Artikel fundiert, wie ist der Blog insgesamt aufgemacht, wie ist seine Reichweite und – wichtig – wie ist die persönliche Motivation des Bloggers.
Stimmt die Floskel: Auch schlechte Werbung ist gute Werbung?
Das kommt darauf an, was Du unter schlechter Werbung verstehst. Wenn Du damit z.B. miese Rezensionen meinst, dann ist es am Ende trotzdem Werbung. Lieber polarisiere ich, als dass niemand, aber auch gar niemand sich für mein Buch interessiert. Kritik bringt einen ja auch ganz entscheidend weiter, man sollte heute als Autor schon darauf hören, was Leser, Blogger und Branchenexperten einem als Rückmeldung geben.
Ein Beispiel für schlechte Werbung ist, wenn Autoren immer und wirklich immer ihr Buch irgendwo posten. Das nervt einfach nur und schreckt eher ab, als dass es was bringt.
Wenn mich Autoren fragen, wie ich ihr Buch finde, beurteile ich es aus Marketingsicht. Aber ich sage immer: Am Ende entscheidet der Leser. Ihn müssen wir überzeugen. Und wenn die Verkaufszahlen so schlecht sind, dass man den Leser scheinbar nicht überzeugt, läuft was falsch. Und dem muss man auf den Grund gehen.
Brauchen Autorinnen eine Webseite?
Je erfolgreicher sie werden, desto wichtiger ist eine Webseite. Mir ist ganz wichtig, dass wenn man eine macht, sie professionell aussieht. Eine tote Seite, auf der sich Leser, Buchhandlung, Journalist ungern aufhält, weil sie keine spannenden Features oder ein ansprechendes Design bietet, nutzt niemandem. Wie bei allem: Nur Qualität überzeugt. Alles andere lasst sein, es schadet nur.
Ich habe in der letzten Zeit von Autorinnen häufiger gehört, dass Rezensionen nichts bringen. Was sagst du dazu?
Unsinn! Du wirst kein Buch in den Bestsellerlisten finden, das nur 5 Rezensionen hat.
Weißt Du, ich kann diese Aussage „dies und jenes bringt nichts“ nicht leiden. Sie sagt nichts, aber auch gar nichts, inhaltlich aus, außer, dass da jemand sehr frustriert ist.
Autoren müssen anfangen, sich präziser in ihren Bewertungen auszudrücken. Kürzlich las ich ein Kommentar, da schrieb ein Autor von Sachbüchern: „Werbeanzeigen bringen nichts, ich habe welche eingestellt und es hat gar nichts gebracht.“ Dann habe ich ihn gefragt, wie er sie eingestellt hat, habe mir seine Bücher angesehen und ich weiß genau, warum sie nichts gebracht haben! Aber da lag der Fehler bei ihm und nicht an dem Instrument „Werbeanzeige“.
Wenn ich sage, „Rezensionen bringen nichts“, habe ich vielleicht zu wenige generiert. Oder es kamen schlechte Rezensionen bei rum oder nicht wirklich tolle. Ja dann muss ich mich hinsetzen und es richtig machen. Und dann bringt´s auch was.
Wie wichtig ist die Sichtbarkeit für Autorinnen? Helfen da auch Leserunden oder andere Leseaktionen?
Unbedingt!
Leserunden und Leseaktionen sind ein ganz wichtiger Bestandteil im Buchmarketing.
Wenn wir nicht wissen, was Leser von unserem Buch halten, können wir selbst es nicht einschätzen. Die eigene Bewertung ist irrelevant, wenn es den Leser nicht überzeugt. Und das können wir nur durch die Kommunikation mit dem Leser (z.B. bei Leseaktionen) oder durch Rezensionen herausfinden. Beides ist ganz ganz wichtig.
Was sagst du den Kundinnen, die sofort Ergebnisse erwarten?
Geduld ist eine Tugend. Und ich nicht der liebe Gott.
Nein im Ernst – ein Buch schreibt sich doch auch nicht in einer Woche, die Erwartung ist einfach überzogen. Sorry, wenn ich da jetzt manch einen enttäuschen muss.
Du hast auch ein Buch geschrieben. Hast du keine Angst, dass nun potentielle Kundinnen alles selbst machen?
Ha! Die Frage habe ich mir tatsächlich gestellt als ich es geschrieben habe. Aber weißt Du was, jemand, der selbst Gewinnspiele starten oder eine Leserunde einstellen möchte, der soll das doch tun! Dieser Autor braucht dann vielleicht ganz woanders Unterstützung, z.B. in der Strategie oder bei größeren Maßnahmen wie Trailer, Plakataktionen, Online-Events.
Jeder steht an einem anderen Punkt des Schaffensprozesses, jeder ist anders technikaffin und neugierig. In meinem Buch findet der neugierige, technikaffine und motivierte Autor unzählige Anleitungen und Tipps, mit denen er selbst richtig viel machen und bewirken kann. Aber Beratung, Ideen, Kontakte, das große Netzwerk zu allen möglichen Plattformen, Bloggern, Presse…das kriegt man nur in der Zusammenarbeit mit mir persönlich.
Last, but not least: Dein Herzensbuch?
Gut gegen Nordwind von Daniel Glattauer (Goldmann) – ein Buch, das mich so tief berührt hat, dass ich auch nach Jahren liebevoll daran zurückdenke.
Liebe Tanja, vielen Dank für dieses inspirierende Interview.
Und so kannst du Tanja erreichen:
Telefon: 06103/5091606
E-Mail: tanja.roersch@mainwunder.de
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Bildquelle: Tanja Rörsch
Verrate mir doch gerne im Kommentar, wie dir das Interview gefallen hat und welche Fragen du gerne noch gestellt hättest.
Tanja meint
Sehr schönes Interview. Mist, jetzt habe ich den Drang ihr Buch zu kaufen *ghihi*
Suse meint
Haha, das ging mir auch so 😀
Nadine Stenglein meint
Tolles und interessantes Interview 🙂 Mein Buch Rubinmond (Vampire Romance mit ganz neuartigen Vampiren…) kam erst am 01.09. raus. Mein zweiter Roman. Ich mach auch Werbung. Nur teure Werbung kann ich mir nicht leisten. Ich freue mich über jeden Leser und wenn ich diesen mit meiner Geschichte glücklich machen kann.
Alles Gute und liebe Grüße aus Bayern,
Nadine Stenglein
Suse meint
Danke, liebe Nadine, für dein Feedback. Für deinen Roman wünsche ich dir ganz viel Erfolg 🙂
Katrin Ils meint
Sehr spannend 🙂 Und der Buchkaufdrang wurde bei mir auch ausgelöst 🙈 (Interviews bringen also auf jeden Fall schon mal was 😉 )
Suse meint
Haha, sehr gut! 😀
Bastian meint
Sehr gutes Interview! Tanja Rörsch bringt viele Dinge auf den Punkt, die bei der Vermarktung eines Buches oder eBooks gerne vernachlässigt werden. Weiter so!