Gastbeitrag und Tipps zum Thema Crowdfunding von Martin Möller, Mitgründer des ALLES-Magazins.
Ein Magazin aus dem Nichts erschaffen
Im Sommer 2015 hatten wir es geschafft: Die Nullnummer des Magazins „ALLES – Echtzeitschrift für Gesellschaft und Einsamkeit“ konnte in kleiner Auflage von 300 Exemplaren in den Druck. Der Vertrieb des Magazins fand auf privatem Weg und in ausgewählten Buchgeschäften in Berlin statt. Zugegeben, es war ein Kraftakt und am Ende war der Erlös weiter unter dem, was wir in das Projekt investiert hatten. Aber das war der Preis, den wir zahlen mussten. Für ein unabhängiges Magazin, das kein Mensch kennt.
In guter Gesellschaft
Nachdem die Nullnummer viele gute Einschätzungen bekommen hatte, war klar, dass wir in eine zweite Runde gehen mussten. Schnell klar war auch, dass die Finanzierung über eine Crowdfunding-Kampagne laufen sollte. Crowdfunding im Bereich des Journalismus hat vor allem durch die Krautreporter Berühmtheit erlangt. Daraufhin zogen immer mehr Projekte wie u. a. das Wissenschaftsmagazin Substanz und das Block Magazin erfolgreich nach. Für das ALLES-Magazin schien es deshalb auch eine gute Möglichkeit zu sein – eine gute Chance, unser Produkt unbürokratisch zu finanzieren. Zudem ist Crowdfunding immer auch ein guter Testlauf, um zu sehen, was geht und was geht nicht?
Crowdfunding für mehr Unabhängigkeit
Der Zeitschriftenmarkt in Deutschland ist groß und viele gute Angebote machen es schwer, sich durchzusetzen. Vor allem, wenn es wie im Fall des ALLES-Magazins um eine unabhängige Kulturzeitschrift geht. Eine, die sich auf wenige Konventionen und Kernbotschaften einlassen möchte, um große redaktionelle Freiheit zu haben. ALLES steht für den Wunsch, Vielfalt zu zelebrieren. Sei es in Bezug auf Kulturen, Branchen, Identitäten oder seine Anzeigenstrategie.
Zugleich verfolgen wir die Devise, dass der Leser sich an dem Magazin abarbeiten soll. Nur so ist Lektüre auch meinungsbildend. Die redaktionelle Klammer bilden vier Rubriken: Wissen, Gewalt, Liebe und Körper. Jede Ausgabe wird sich einem Thema widmen – in Formaten wie Interviews, Lyrik, Bilder, Kunst, Literatur, journalistischen und akademischen Essays.
Wie aber, so die entscheidende Frage – bereitet man nun ein solches Magazin für eine Crowdfunding-Kampagne auf? Denn Vorsicht, jede Crowdfunding-Kampagne muss gut vorbereitet und sollte insgesamt in ihrem Ablauf gut geplant sein. Und trotz aller Ratgeber und Artikel, die online zu dem Thema zu finden sind, kann es schnell passieren, dass die eine oder andere geplante Aktion erst im Laufe der Kampagne angepasst werden muss. Insofern ist es wichtig, einen Plan zu haben.
Ist es die erste Crowdfunding-Kampagne die man startet, sollte man vor allem ruhig bleiben und im Hinterkopf behalten: Crowdfunding ist immer auch ein erster Schritt, um sich zu professionalisieren: Man lernt durch Fehler und wird besser.
Meine Tipps für effektives Crowdfunding
#1 Plane früh
Stichwort: Zeitmanagement. Planung und Umsetzung einer Kampagne brauchen Zeit. Bist Du allein, hast Du Unterstützer und/oder Familie? Crowdfunding ist zeitintensiv und basiert darauf, dass viel mit unterschiedlichen Akteuren gesprochen wird. Es geht darum eine Community aufzubauen, Sponsoren und weitere Unterstützer zu finden, die wiederum als Multiplikator für deine Idee funktionieren.
Für einige Crowdfunder bedeutet dies, rund um die Uhr zu arbeiten: E-Mails, Meetings, Medien- und Pressearbeit, regelmäßige Updates auf Facebook, Twitter und Co, telefonieren und Team-Mitglieder koordinieren. Es gilt über einen bestimmten Zeitraum hinweg viele Kanäle gleichzeitig zu bedienen und je besser dein Plan, desto einfacher lässt sich die dauerhafte Kommunikations- und Überzeugungsarbeit durchziehen.
Es gibt viele Arten, sich über die Methoden und Mittel im Crowdfunding zu informieren. In jedem Falle macht es Sinn, sich frühzeitig mit dieser Form der Finanzierung auseinanderzusetzen. Eine Online-Recherche ist ausreichend und man muss auch nicht alle möglichen Arten des Crowdfundings studieren.
Such Dir Kampagnen, die ein ähnliches Produkt erfolgreiche finanziert haben und studiere diese genau.
Wenn Du die Publikation eines Buches finanzieren möchtest, brauchst Du nicht zu wissen, wie die besten 10 erfolgreichen Computerspiele auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter gelaufen sind. Wir haben uns zum Beispiel erfolgreiche Magazinprojekte angeschaut, ihre Entwicklung und vor allem die Inhalte ihrer Kommunikation mit der Community studiert: Mit wem und mit welchen Mitteln wird dort gearbeitet? Was kommt davon für dich in Frage? Das waren die Fragen, die wir uns gestellt haben. Um ein Gefühl für Crowdfunding zu bekommen, hilft es auch, sich mit anderen Crowdfundern auszutauschen.
#2 Behalte deine Community im Blick
Deine Community ist deine Zielgruppe. Jede Crowdfunding-Kampagne lebt und funktioniert über ihre Community. Es sei denn, man verfolgt die Strategie, seine Finanzierung vorwiegend über einige wenige Sponsoren zu organisieren. Normal ist aber, über eine breite Ansprache möglichst viele Zahlungswillige zu gewinnen. Und das gelingt selten von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess, der mehrere Wochen dauert.
Ein Punkt, den wir beim ALLES-Magazin leider erst spät realisiert hatten. Erst kurz vor Beginn der Kampagne legten wir auf Facebook eine Seite an und informierten parallel über E-Mails und in persönlichen Gesprächen über das Projekt. Das Ergebnis: eine bis heute relativ kleine Anhängerschaft, die nur langsam wächst.
Natürlich hängt aber auch immer alles davon ab, wie viele im Projektteam mitarbeiten. Hier kommt es auf jede einzelne Person an. Jeder kann dazu beitragen, eine Community schneller aufzubauen. Und je schneller diese wächst, desto besser lassen sich Aufforderungen zur Unterstützung in den jeweiligen Netzwerken verbreiten.
Wichtig ist, dass die Ansprache auf einer Strategie basiert. Im besten Fall wird auch auf einen Redaktionsplan zurückgegriffen, in dem festgehalten ist, was sukzessive erzählt werden soll. Denn nichts langweilt den informationsgefluteten Leser mehr, als klischeehafter Werbungssprech. Zielführender ist, die Community in authentischer Weise am Entwicklungsprozess der Kampagne zu beteiligen und in das Projekt mit einzubeziehen.
#3 Entwickle eine Kommunikationsstrategie
Der Redaktionsplan mit den Social-Media-Beiträgen, E-Mails oder Pressemeldungen wird mit Blick auf die strategischen Ziele der Kampagne entwickelt. Das bedeutet, Kernbotschaften zu entwickeln, die den Interessenten vom eigenen Vorhaben überzeugen.
In Fall des ALLES-Magazins erstrecken sich die Kernbotschaften von „wir sind ein unabhängiges Kulturmagazin“ über „die gedanklichen Horizonte schrumpfen, wenn nicht in Vielfalt gedacht wird“ bis zu „Meinungsvielfalt und Rationalität schließt sich nicht aus“. Die Kunst besteht dann darin, diese Kernbotschaften, die das eigene Werk ausmachen, in den einzelnen Kommunikationsmaßnahmen an den Mann zu bringen.
Ebenfalls wird in der Kommunikationsstrategie festgelegt, welche Multiplikatoren – wie Journalisten oder Branchen-Experten – und Personen mit einem weitreichenden Einfluss wann und wie angesprochen werden. Selbstredend bedarf auch dies weiterer Vorarbeit: Die einzelnen Personen müssen recherchiert und angesprochen, Verteilerlisten mit den Kontaktinformationen angelegt werden.
In welcher Weise die Kommunikationsstrategie ausformuliert wird, und wie genau der Redaktionsplan angelegt sein muss, hängt von den einzelnen Crowdfundern ab. Für einige reicht es, sich einen groben Plan zu überlegen und die restlichen Schritte im Prozess zu machen. Für andere hingegen macht es Sinn, alles ganz genau aufzulisten. In jedem Falle spart man viel Zeit und jede Menge Stress, wenn alle wichtigen Bausteine der Kampagne frühzeitig durchdacht und angestoßen sind.
#4 Erzähle eine Geschichte
Storytelling bedeutet, Geschichten von Personen zu erzählen. Gerade wenn dein Projekt nicht bekannt ist, und beim Crowdfunding noch eine ganze Community gewonnen werden muss. In diesem Fall steht oftmals weniger dein Produkt im Vordergrund, als die Geschichte wie Du bzw. Ihr zu Eurem Projekt gekommen seid.
Auch bei größeren Crowdfunding-Kampagnen zeigt sich, dass die Geschichten oftmals über den Erfolg oder Misserfolg eines Projekts entscheiden. Wer sich auf Startnext und Kickstarter umschaut, wird schnell bemerken, dass die Kampagnen visuell durchdacht und in ihrer Kommunikation emotionsgeladenen sind.
Die wichtigsten Elemente einer Kampagne sind die Projektbeschreibung, das Pitch-Video und die Prämien auf der Projektseite. Am häufigsten wählen Unterstützer Prämien im Bereich von bis zu 100 Euro. Oft ist das konkrete Produkt die Top-Prämie. Mittlerweile ist es zudem fast Standard, die Prämien und andere Projekt-relevanten Informationen mit Hilfe von Infografiken und Bildern in einem ausführlicheren Beschreibungstext professionell zu visualisieren. Davon abgesehen sollten Projektinhaber ausreichend Dialogmöglichkeiten anbieten und Fragen in einem FAQ-Bereich klären.
Wenn man es geschafft hat, einen Interessierten auf die eigentliche Seite zu locken, müssen diese Elemente überzeugen und entsprechend ansprechend aufgebaut und gestaltet sein. Alle Elemente sollten der Zielgruppe und der Wertigkeit des Produktes entsprechen und alle wichtigen Fragen in kurzer, prägnanter und emotional ansprechender Form beantwortet werden.
#5 Aktivere deine Freunde und leg’ los
Bevor man in die Finanzierungsphase geht, gibt es bei vielen Plattformen die Möglichkeit, sein Crowdfunding-Projekt über eine Vorschau-Funktion im Freundes- und Kollegenkreis zu testen. So lassen sich Unzulänglichkeiten in der Projektbeschreibung, missverständliche Formulierungen oder fehlende Informationen rechtzeitig erkennen und anpassen. Wurde die Seite von den Freunden abgenommen, steht dem Auftakt nichts mehr im Wege. Viele der großen Kampagnen sind mittlerweile so aufgestellt, dass viel Wert auf die ersten Stunden gelegt wird. Ziel ist, mit großem Tamtam zu starten, am besten alle wichtigen Influencer und Sponsoren vor dem Auftakt informiert und die Finanzierung innerhalb kürzester Zeit gesichert zu haben.
Ist das Crowdfunding erfolgreich abgeschlossen, wollen die Unterstützer über den weiteren Verlauf des Projekts informiert werden und zeitnah ihre Prämien bekommen. Die meisten Crowdfunding-Plattformen bieten nach Abschluss der Kampagne Unterstützerlisten an, mit deren Hilfe sich das so genannte Fulfillment besser organisieren lässt. Außerdem existieren mittlerweile spezialisierte Dienstleister, die etwa die Produktion oder den Versand von Crowdfunding-Prämien übernehmen.
Vorsicht!
Immer wieder kommt es vor, dass sich Projektinhaber verrechnen und nach dem Crowdfunding überrascht oder sogar enttäuscht sind, weil Ihnen weniger Geld zur Verfügung steht als angenommen. Zum Abschluss deshalb noch die einfache Regel für ein Crowdfunding-Ende ohne Schrecken: Auf den gewünschten Betrag kommen eventuelle Produktionskosten für die Prämien, die Kosten für den Prämien-Versand, die Plattform-Provisionen sowie etwaige Kosten für externe Dienstleister (Grafik, Text und ähnliches). Außerdem müssen Projektinhaber die Einnahmen versteuern.
Fazit: Die Kampagne des ALLES-Magazins findest du bei Startnext. Crowdfunding kann sich lohnen, wenn man vorab und während der Crowdfunding-Phase einige Dinge beachtet. Hast du auch schon ein Projekt auf diese Art gestartet oder unterstützt? Berichte mir doch in den Kommentaren von deinen Erfahrungen.
Bildrechte: Martin Möller, Phil Dera
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